Das Protokoll der letzten 24
Stunden des vergehenden, alten
Würzburg im Roman „Bombennacht“.
Der 16. März 1945 hat sich für
alle Zeiten unauslöschbar in das
Gedächtnis der Stadt am Main
eingebrannt, denn an diesem Tag
ging das alte Würzburg nach
einem nur wenige Minuten
andauernden Luftangriff der
britischen RAF (Royal Air Force)
in einem gewaltigen Feuersturm
unter, und mit ihm annähernd
1300 Jahre Europäische
Geschichte.
Diesen entscheidenden letzten
Tag erzählt der bewegende, neue
Roman von Roman Rausch nun nach
und führt den Leser sehr direkt
und mittelbar zurück zu jener
Katastrophe der letzten
Kriegstage. Dabei schildert der
Autor die unterschiedlichsten
Schicksale, die Stimmung sowie
die Realitäten des Lebens in der
Stadt. Die Einwohner in diesen
Zeiten der Mangelwirtschaft,
einquartierte Flüchtlinge und
solche, die mit kaum mehr Habe
noch als einem Rucksack oder
Bollerwagen auf der Suche nach
einem Ziel umherirren, endlos
eintreffende Lazarettströme des
Krieges, verhungernde
Zwangsarbeiter, Kinder, die
trotz allem den Frühling
begrüßen, SS-Schergen,
Krankenschwestern,
Kriegsversehrte, eine sich auch
jetzt noch taub stellende
Bewunderin des Führers, auch ein
sehr ungewöhnliches, jüdisches
Schicksal, Töchter, Söhne,
traumatisierte Deserteure,
Patienten der Nervenklinik,
Priester, die Halt zu geben
versuchen u.v.m. Nicht zuletzt
auch die Architekten und
Handlanger des Bösen im jedoch
harmlosen äußeren Gewand, wie
z.B. den Leiter der Nervenklinik
und Cheforganisator der ebenso
berüchtigten wie
unaussprechlichen Euthanasie-
Morde unter dem Decknamen
„Aktion T4“.
Diese so verschiedenen
Schicksale verbinden sich
schließlich stellvertretend für
alle von der heraufziehenden
Katastrophe Betroffenen im Kampf
um das nackte Überleben
beziehungsweise im Untergang.
Dabei verdichten sich die
jeweiligen Erzählstränge mit dem
Herannahen des Unvermeidlichen
zusehends und erzeugen eine
überaus authentische Atmosphäre
aus miterlebten Gefühlen von
Hoffnung, Trauer, Beklemmung,
Angst bis hin zur Empörung und
blanken Wut im Erkennen der
Wahrheit.
Die erzählerische Kraft und
Leistung besteht hierbei nicht
nur in der detailreichen und
akribisch recherchierten
Darstellung der Abläufe dieses
so schicksalshaften Tages, dem
Bombardement und anschließendem
Feuersturm, sondern gerade auch
in der schonungslosen
Verknüpfung der Umstände aus
unrechtsstaatlichem Handeln, aus
Krieg, Massaker, sanktioniertem
Morden, Unterdrücken, wissendem
Wegsehen, sich taub Stellen und
vielem mehr. So gelingt es
diesem sehr lesenswerten Roman
zumindest eine Ahnung davon zu
gewinnen, wieso das historisch
eigentlich unfassbare Ereignis
des Unterganges der „Perle am
Main“ überhaupt geschehen
konnte.
Roman Rausch, „Bombennacht“,
Würzburg 2016
ISBN 978-2-429-03885-4